Väter wollen Schöpfer sein
Vatertag als Initiation
Vatertag wird von Männern (und heute auch von Frauen) am Himmelfahrtstag oft mit viel Alkohol gefeiert. Dieses Brauchtum mag inhaltsleer erscheinen. Dahinter steckt jedoch ein uraltes Prinzip: der Auszug der jungen Männer als Initiationsritus.
In vielen Kulturen sind die jungen Männer meist im Frühjahr aufgebrochen, aus-gezogen, haben sich In ritualisierten Spielen und Kämpfen gemessen. Sie haben dabei sicher auch "gezecht", was auch von ziehen und zeugen kommt. Geblieben sind vielerorts Alkoholexzesse am Vatertag (Christi Himmelfahrt) ohne wirklichen rituellen Kontext.
Überhaupt der Alkohol: Eine ironische Deutung der kulturellen Evolution besagt, dass die Menschen nicht nur deshalb sesshaft wurden, weil sie anfingen Getreide und Hackfrüchte fürs Essen anzubauen, statt jagen zu gehen. Sie hätten vielmehr schon vor mehr als 10.000 Jahren Wildgetreide gesammelt und diesen dann vergoren. Um ihre Lagerplätze wuchs dieses Getreide besonders gut. Das Bier ließ sich am besten gleich trinken und so blieben sie an diesem Ort.
Mein erstes Bier habe ich wohl mit elf Jahren getrunken - im Beisein meines Onkels. Die Oma hatte mir schon vorher öfter mal Rum in den Tee gegeben. Ein kleiner Schluck könne nicht schaden, sagte sie. Mir kommt es im Nachhinein auch so vor, als ob der Sportverein nicht nur zur Leibesertüchtigung diente. Er bereitete uns Jugendspieler auch auf die ritualisierten Trinkgelage vor. Nicht alle landeten beim Fußball. Doch auch bei den Schützenvereinen und der Feuerwehr blieb der Nachwuchs "nicht trocken". - Heute mag ich vor allem das Bier nicht mehr: Bin ja auch kein Bergmann!
Ein Fünkchen Wahrheit mag schon dran sein an dieser Version. Ich nehme jedoch an, dass es die Schmiede und Bergleute waren, die das Biertrinken forcierten. Beides macht durstig und das Bier spült auch noch Gifte aus dem Körper, der mit Schwermetallen und Ruß in Berührung gekommen ist. Nicht umsonst wird das Trinkgelage auch als „Zeche“ bezeichnet, genauso wie umgangssprachlich auch das Bergwerk. Und wo wird oder wurde viel getrunken? Im Ruhrgebiet, wo die Kumpel nach der Zeche gerne noch nach Feierabend zechten.
Die Menschen der Himmelsscheibe von Nebra (vor ca. 3700-4100 Jahren) gehörten der sogenannten Glockenbecherkultur an. Diese hat ihren Namen von den aufgefundenen Tonwaren, die alle eine glockenförmige Figur hatten (siehe Fotos). Diese fast genormten Becher sind für mich frühe Bierkrüge. Noch heute wird vor allem in Süddeutschland das Bier aus einem Maßkrug ausgeschenkt, dessen genaue Maße heute sogar geeicht werden.
Götter spucken in den Topf
In der nordischen Mythologie sitzen die Göttergeschlechter der Asen und Wanen (nach einem blutigen Konflikt) zur Versöhnung um einen Kessel herum und spucken munter hinein. Mit ihrem Speichel besiegeln sie das Ende ihres langen Konfliktes und sie bringen auch das Getränk zum Gären. Daraus entstand der Überlieferung nach Kvasir, ein großer Weiser. Alle Menschen, die ihm begegnen, lassen alles liegen, um ihm zuzuhören. Kvasirs Ende, so die Legende, kommt mit den Zwergen Fijalar und Galar, die ihn töteten. Um an seine Weisheit zu gelangen, brauen sie aus seinem Blut und aus Honig einen Met, der jedem, der davon trinkt, die Gabe der Dichtkunst verleiht. Bier lockert eben die Zunge, das wissen wir nur zu gut.
Mit Ziu über den Deister gehen
Der erste Gebirgszug südlich von Hannover ist der Deister mit dem Kraftort Alte Taufe (Foto oben), benannt wohl nach dem germanischen Schöpfer-Gott Ziu oder Thiu (Tyr). Noch heute gilt hier die Redewendung "über den Deister gehen" - wenn etwas unwiederbringlich verloren geht. Andernorts sagt man auch "über die Wupper" oder "über den Jordan" gehen. Schauen wir uns doch den Ziu genauer an. Als Ziehender und Zeuger ist er mit dem griechischen Göttervater Zeus und dem indischen Dyaus Pitar sowie dem römischen Jupiter gleichzusetzen. Die Schwaben sind von ihrem Wortursprung Ziu-Waren und die Stadt Augsburg hieß früher Ziusburg. Nach Ziu/Thiu ist der Dienstag benannt, als Zius-Tag oder Thuesday (englisch). Sein Name hat auch in der Bezeichnung von Gerichtsstätten, den Thingplätzen, überlebt. Aus dem ursprünglich fast zwitterhaften nordischen Schöpfer-Gott Ziu (Thiu, Tyr) wurde ein Kriegsgott der Germanen und der Teufel bei den Christen. Der Dienstag steht in den romanischen Ländern als Mardi (franz.) oder Martes (span.) unter dem Zeichen des kriegerischen Mars. Aus dem ursprünglich fast zwitterhaften nordischen Schöpfer-Gott Ziu (Thiu, Tyr) wurde ein Kriegsgott.
Jupiter ist der Himmelsvater
Wenn wir "über den Deister ziehen", wollen wir Altes hinter uns lassen, wie beispielsweise die Wunden der Kindheit. Wir ehren unseren Vater (lat. Pater) und sind bereit, selber auch Vater zu werden und zu sein. Natürlich kann jeder Mann auch ohne eigene Kinder ein Erdenvater sein. Mit unserem väterlichen Herz können wir Mentoren und Vorbilder sein. Wir können Halt und Richtung geben, so wie der Planet Jupiter. Die kreisförmige Umlaufbahn des Riesenplaneten stabilisiert das gesamte Sonnensystem. Der Himmelsvater Jupiter hält uns auf einer sicheren Bahn und seine Gravitation schützt die Erde vor Kometeneinschlägen.
Neue Formen des Mannseins
Indigene Völker haben spezielle Riten und Einweihungen für Männer überliefert. Wir können daran anknüpfen und daraus andere Formen des Mannseins entwickeln. Andere Wege, um in uns die Instinkte des Jägers und Sammlers zu würdigen. Wege, die nicht auf das Töten angewiesen sind. Anstatt der Mutter Erde als gebende Kraft zu dienen, haben wir uns die Erde Untertan gemacht. Der aufgrund eines missverstandenen Sonnenmythos auf die Männlichkeit übertragene Heldenstatus ist zu einer Bedrohung für die Erde geworden. Wir erleben die Wiedergeburt des Femininen – eine Zeit der Zyklen, der Gemeinschaften - frei von ungesundem Wettbewerb.
Wie soll der grüne Mann, der wilde Mann zu uns zurückkehren? Die Antwort hängt mit unserer Hirnstruktur zusammen. Das Maskuline muss sich sicher fühlen, sonst wird es gewalttätig. Was Sicherheit schafft, sind Rituale.